"Keinen Bock auf Schule" - Mögliche Ursachen für Schulverweigerung


 

„Keinen Bock auf Schule“ – Mögliche Ursachen für Schulverweigerung

„Der hat einfach keinen Bock auf Schule!“

Ja früher dachte ich ebenfalls, dass ich oder andere Menschen einfach keinen Bock haben, wenn sie etwas nicht gemacht haben bzw. machen wollten. Heute bin ich der Meinung, dass hinter jedem „keinen Bock“ eine Ursache steckt.

In diesem Beitrag möchte ich zum einen auf mögliche Hintergründe für eine Schulverweigerung eingehen und zum anderen dafür sensibilisieren, dass unser Verhalten, unsere Handlungen und Verweigerungen immer einen Grund haben. Zu viele Erwachsene sind so sehr in ihren Prägungen, dass sie dies für sich selbst nicht erkennen, sich durchquälen und sogar selbst dafür beschämen, wenn sie auf irgendetwas „keinen Bock“ haben. So ist es nicht verwunderlich, dass diese Haltung dann auch im Umgang mit jungen Menschen ungefiltert weitergegeben wird. Würden wir von klein auf lernen, dass unsere Handlungen und Verweigerungen eine Ursache haben und würde uns vorgelebt dies zu kommunizieren, dann wäre der Satz „Ich habe kein Bock“ wahrscheinlich schnell aus dem allgemeinen Wortschatz verschwunden. Stattdessen würden wir sagen:

„Ich fühle mich heute nicht gut.“

„Ich brauche gerade Ruhe und Entspannung.“

„Mir setzt es zu, dass andere Menschen mich schlecht behandeln.“

„An diesem Ort darf ich nicht sein wie ich bin, das macht mich krank.“

„Ich kann die geforderten Ansprüche und Erwartungen nicht erfüllen, damit fühle ich mich nicht wohl.“

„Ich fühle mich unter Druck gesetzt.“

„Mir wurde weh getan.“

„Es ist mir zu laut.“

„Ich brauche mehr Zeit, um die Inhalte zu verarbeiten.“

„Es verletzt mich, wie manche Menschen mit mir umgehen.“

„Ich habe Angst Fehler zu machen.“ „Wenn ich Fehler mache, werde ich bestraft.“

„Ich habe Angst vor Mitschülern und/oder Lehrkräften.“

„Ich wurde ausgelacht und das macht mich traurig.“

Leider können viele Erwachsene ihre Gefühle nicht kommunizieren und sich selbst reflektieren, wie sollen es dann junge Menschen lernen? Wir kommen ins Büro und sagen: „Boah ich habe heute keinen Bock“. Wir sind es gewohnt uns dennoch ins Büro zu begeben, anstatt uns selbst zu fragen:

„Warum habe ich keinen Bock darauf?“

„Worauf ich denn Lust?“

„Was würde mir Freude bereiten?“

„Was brauche ich, um mich im Büro wohl zu fühlen?“

Und dann könnten wir Lösungen finden, uns selbst in den Arm nehmen, mehr von dem zu tun, worauf wir Bock haben. Genauso sollten wir den Umgang mit jungen Menschen gestalten. Fragen stellen, Bedürfnisse erfragen, zuhören, in den Arm nehmen und Lösungen finden.

5 Gründe warum junge Menschen die Schule verweigern:

1. Leistungsdruck

Kaum ein Mensch kann in allem gut sein und das sollte auch keine Anforderung sein. Doch ist es genau das, was in Schulen oft suggeriert wird. Am besten in jedem Fach eine 1. Ich sage nicht, dass das nicht machbar ist, die Frage ist: „Zu welchem Preis?“ und „Bringt das wirklich etwas für die Zukunft?“. Im Studium hatten wir einen recht jungen Dozenten, welcher bereits in seiner ersten Vorlesung gesagt hat: „Bei mir werden Sie tatsächlich etwas lernen. Nachhaltig, theoretisch und praktisch. Dieses *Bulimielernen, was heute so angesagt ist, unterstütze ich nicht.“ Genau das ist es, was jungen Menschen beigebracht wird, theoretisches Auswendiglernen um in Tests gut abzuschneiden – damit die PISA-Studie uns gut aussehen lässt (was sie nebenbei bemerkt nicht tut) – ohne nachhaltig Wissen zu vermitteln, was praktisch fürs Leben benötigt wird.

Viele Schüler leiden unter diesen ständigen Bewertungen, werden teilweise beschämt, wenn sie in bestimmten Bereichen nicht die Anforderungen erfüllen und sollen jeden Tag in Bestform sein. Wer Leistungen nicht nach Erwartungen erfüllt hat nichts zu lachen, es sei denn er macht sich selbst mit über sich lustig. Ob daraus dann ein positives Selbstbild entsteht?

Doch auch Schüler und Schülerinnen, welche sehr gute Leistungen erbringen werden nicht selten beschämt, sowohl von Mitschülern, als auch von Lehrern. „Streber“ „Besserwisser“ und ähnliche Begriffe sind leider nicht als Komplimente gemeint, sondern suggerieren „Du bist falsch.“

Egal also welche Leistung junge Menschen erbringen, irgendwas stimmt immer nicht.

*Bulimielernen – Den ganzen Stoff in sich reinfressen (auswendig lernen) und nach der Prüfung auskotzen (vergessen)

2. Mobbing/Bossing

Eines der Top-Themen an Schulen und allgemein unter Menschen ist Mobbing/*Bossing. „Mobbing ist ein Führungsproblem.“ habe ich mal gehört und genau so sehe ich das ebenfalls. Wenn führende Menschen ihrer Verantwortung in Form von direktem Einschreiten, begleiten junger Menschen und Opferschutz wahrnehmen würden, gäbe es viele Fälle gar nicht. Gerade das Vorleben sozialer Kompetenzen wird aus meiner Erfahrung an Schulen nicht gelehrt. Bereits bei Kleinkindern höre ich oft den Satz: „Das klären die unter sich.“ und dann fragen wir uns, warum der 2-jährige Max jetzt mit der Schippe auf Kurt einprügelt. Vielleicht weiß Max, dass das weh tut, nur leider weiß Max nicht, wie er diesen Konflikt jetzt anders klären könnte. Und da können wir 1000-mal sagen, mach es so und so… Max muss das erst lernen und das tut er durch Vorleben und Übung!

Nun steht Max, der das bereits im Kitaalter selbst mit Kurt klären sollte auf dem Schulhof und wendet weiter die Schippenstrategie an, denn auch in Schulen wird oft kein soziales Verhalten vorgelebt. In Schulen herrscht Autorität! Es wird gemacht, was die Erwachsenen sagen und das sagen sie oft nicht so, wie es ein gesundes Sozialverhalten erwarten würde. Es wird geschrien, befohlen, beschämt und teils werden junge Menschen noch immer von Lehrkräften körperlich gemaßregelt. Gewalt im Klassenzimmer geht nicht nur von jungen Menschen aus, es wird von Erwachsenen vorgelebt und toleriert.

*Bossing ist das gleiche wie Mobbing nur geht es hier darum, dass Menschen von Führungs-/Autoritätspersonen gemobbt werden.

3. zu viel Trubel / eine zu laute Umgebung

Lärm und Trubel sind ebenfalls ein großes Problem an Schulen. Hunderte von Schülern in einem Gebäude, Klassengrößen von 20-30 Schülern und trotz ständigem Strafen von Ungehorsam, ist eine ruhige Lernumgebung eher eine Rarität. Für die Konzentration ist dies nicht besonders förderlich und vielen jungen Menschen fällt es neben anderen Faktoren noch schwerer eine bestimmte Leistung zu erbringen, wenn die Umgebung unruhig ist.

4. Konzentrationsprobleme

Konzentration ist so ein heiß diskutiertes Thema. Ich glaube jedem zweiten jungen Menschen wird unterstellt er hätte eine Konzentrationsschwäche. Doch was bedeutet das eigentlich? In den meisten Fällen jedoch ist einfach das Interesse am Thema eingeschränkt oder nicht vorhanden oder die Art der Wissensvermittlung unpassend. Bedenken wir, dass die Aufmerksamkeitsspanne bei ca. 15 Minuten am Stück liegt, passt das nicht zu den Gegebenheiten von 45-90 Minuten Unterrichtszeit. Ganz zu schweigen von 5-10 Minuten Pausen und dann geht’s weiter. Natürlich nicht im Stoff, sondern mit einem ganz anderen Thema, welches ganz andere Gehirnbereiche fordert.

Wenn ein Mensch 3 Stunden am Stück ein Buch lesen, ein Onlinegame zocken, zeichnen oder sonst etwas machen kann, hat er keine Konzentrationsschwäche! Er ist einfach anderweitig interessiert. Wo wir wieder bei der Individualität des Menschen sind.

5. Über-/Unterforderung

Die Anforderungen an junge Menschen sind aus meiner Erfahrung extrem in die Höhe geschossen. Während ich in der 1. Klasse das Alphabet gelernt und in der 2. gesungen habe, sollten meine Kinder zum Ende der ersten Klasse bereits fehlerfrei und mit Betonung Texte lesen und schreiben. Natürlich in Schönschrift und innerhalb einer bestimmten Zeitspanne. Englisch stand bei uns ab Klasse 5 auf dem Plan, heute bereits ab Klasse 3. Bereits vor Schuleintritt wird erwartet, dass junge Menschen in einem gewissen Rahmen schreiben und mit Zahlen umgehen können. Per se mag es dafür allerlei Gründe geben, welche ich im Einzelnen überhaupt nicht anzweifeln möchte. Doch im Gesamten ergeben all diese erhöhten Anforderungen ein Grundproblem in unserem Schulsystem.

Es gibt junge Menschen, welche überhaupt keine Probleme mit diesen Anforderungen haben, sogar zum Teil unterfordert sind und genau daran sehen wir bereits, wie individuell wir alle sind. Ein Problem entsteht prinzipiell nicht daraus, dass es Richtlinien oder Lehrpläne gibt. Probleme entstehen meines Erachtens daraus, dass nur die Schüler und Schülerinnen gut wegkommen, für welche die Anforderungen im gegebenen Zeitrahmen passend sind. Alle die mehr Zeit oder niedrigere Anforderungen brauchen bleiben oft auf der Strecke. Genauso jene, die schneller sind und höhere Anforderungen bräuchten.

Wichtig wäre, auf die Individualität des jungen Menschen entsprechend reagieren zu können und dementsprechend Anpassungen im Lehrplan vorzunehmen.

Was können wir als Eltern tun um herauszufinden, warum unser Kind „keinen Bock auf Schule hat“?

Die Antwort ist einfach. Kommunizieren! Frag dein Kind, warum es keinen Bock hat. Frag nach wie es mit Mitschülern, Lehrern, dem Schulstoff usw. läuft. Zeig Interesse an den Gefühlen deines Kindes und baue Vertrauen auf. Hör genau zu und lies auch zwischen den Zeilen. Lass deinem Kind gleichzeitig Raum über deine Fragen nachzudenken. Sage ihm, dass du dir Sorgen machst und es unterstützen möchtest, dass es ihm gut geht. Mit oder ohne Schule.

Was mindestens genauso wichtig ist wie deinem Kind zuzuhören ist, dir selbst zuzuhören. Falls du es noch nicht machst, rate ich dir zu reflektieren. Frage dich selbst wie es dir geht? Welche Ängste hast du? Was beunruhigt dich? Was brauchst du? Was kannst du für dich tun, um dein Kind gut begleiten zu können?

Für mich persönlich, war einer der wichtigsten Punkte, meine eigene Schulzeit aufzuarbeiten, denn ich bin in vielen Situationen in die Gefühle meiner Kinder eingestiegen und konnte so keine gute Beraterin mehr sein. Ich hatte so viele unverarbeitete Erlebnisse und Emotionen gespeichert, dass mein inneres Kind oft die Oberhand hatte und kampfbereit loszog.

 

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