Hilfe, mein Kind will nicht zur Schule


Oh weh die Schule! Immer wieder höre und sehe ich, dass junge Menschen mit den Anforderungen und Umständen der Schule zu kämpfen haben und dass sich sowohl die jungen Menschen, als auch deren Eltern teilweise ratlos und hilflos fühlen, mit der Situation überfordert sind und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen.

Auch ich habe die letzten 5 Jahre intensiv Zeit damit verbracht mich mit unserm Schulsystem auseinanderzusetzen, habe für meine Kinder gekämpft, eingestanden und hatte große Hürden zu überwinden. Ich weiß wie herausfordernd es für Eltern sein kann, einen Weg zu finden, der die Bedürfnisse und den Schutz des eigenen Kindes ernst nimmt und gleichzeitig die eigenen Bedürfnisse, Ansichten und Werte berücksichtigt.

Vorab möchte ich festhalten, dass ich glaube, dass es keinen richtigen Weg im Umgang mit Schulverweigerung gibt. Es gibt immer nur deinen individuellen Weg! Und dieser richtet sich nach deinen Lebensumständen, Ansichten, Werten und Ressourcen.

Gerade wenn wir beginnen uns damit auseinanderzusetzen, dass unser Kind nicht zur Schule will oder die Schule ihm nicht guttut, kann es ein enormer Kraftakt sein den richtigen Weg zu finden. Sehr viel Unterbewusstes kommt zum Vorschein und gefühlt steht die ganze Welt Kopf. Es gibt viele Eltern die sich bereits vor Schuleintritt der Kinder mit dem Thema Schule, Bildung und Schulpflicht auseinandersetzen und unser Bildungssystem hinterfragen, aber das macht eben nicht jeder. Denn oft setzt man sich mit Problematiken erst auseinander, wenn sie auftreten. Was ich, nebenbei erwähnt gar nicht schlecht finde. Ich persönlich habe mich, bevor meine Kinder in die Schule gekommen sind, nicht aktiv damit auseinandergesetzt, was wäre, wenn meine Kinder nicht zur Schule wollen oder was ist, wenn es ihnen dort nicht gut geht. Ich habe es „erst“ dann gemacht, als die Probleme quasi eskaliert sind. Als Gespräche mit der Schule zeigten, wie wenig bedürfnisorientiert, individuell und menschlich junge Menschen teilweise behandelt werden und wie groß der Widerstand ist, wenn man als Eltern auf Missstände hinweist. Ich begann alles zu hinterfragen, das Schulsystem, Bildung im Allgemeinen, meine eigenen Glaubenssätze, meine eigene Schulzeit, meine Prägungen und Werte. Ich war nie ein Mensch der Schule als extrem wichtig angesehen hat, es war für mich eben einfach normal, dass junge Menschen zur Schule gehen. Immerhin herrscht Schulpflicht!

Für einen großen Teil unserer Gesellschaft ist Schule das einzige Format für Bildung, Wissen und Sozialkompetenz. Gleichzeitig werden die Stimmen derer immer hörbarer, welche das System Schule weder als gute Bildungsmöglichkeit empfinden, noch zur Wissensaneignung und für die Vermittlung von Sozialkompetenzen ansehen. Noch vor einigen Jahren wurden diese Stimmen unverzüglich leise gestellt, doch mittlerweile kommt eine Generation zu Wort, die sehr viel reflektierter und selbstbestimmter ihren Weg beschreitet. Neue Werte wie Selbstbestimmung, leben statt überleben, Bedürfnisorientierung und Achtsamkeit pflastern für immer mehr Menschen den Weg und damit geht einher, dass Stimmen nicht mehr einfach leise gestellt werden können, sondern die breite Gesellschaft sie hört und sich damit auseinandersetzen muss. Dennoch ist der Weg für alternative Bildungswege nicht unbedingt leicht und einfach umsetzbar, denn die Hürden, der Druck von außen und die eigenen Prägungen können enorm herausfordernd sein.

Ich selbst habe mich erst getraut alles zu hinterfragen als die Problematik extrem groß war und es für mich keine andere Möglichkeit mehr gab außer für meine Kinder einzustehen um deren Wohlergehen zu sichern. Ich glaube es geht vielen Eltern ebenso, denn uns allen wurde über Jahrzehnte suggeriert wie wichtig Schule ist und wie dankbar wir dafür sein müssten zur Schule gehen zu dürfen. Mit Blick auf die Welt steckt darin natürlich sehr viel Wahrheit, denn es gibt Menschen, die sich wünschen zur Schule gehen zu dürfen und vieles darum geben würden. Doch können wir in Deutschland uns nicht unbedingt damit vergleichen. In Bereichen die weder eine konstante Wasserversorgung, noch Strom, geschweige denn Internetzugang haben ist Wissensaneignung nicht, wie bei uns, einfach greifbar. Wir haben so viele Grundvoraussetzungen um alternative Bildungswege zu integrieren, was leider nicht für alle Bereiche der Welt gilt.

Es wird propagiert, dass ein junger Mensch, welcher nicht zur Schule gehen will oder welchem es in der Schule nicht gut geht abnormal ist. Junge Menschen werden pathologisiert, diagnostiziert und es wird ihnen abgesprochen Eigenverantwortung zu übernehmen und selbst entscheiden zu können, was ihm guttut. All diese Eigenschaften, die wir dann aber mit spätestens 18 von diesen Menschen fordern, werden im Vorfeld weitestgehend eingeschränkt. Verweigert ein junger Mensch die Schule ist dieser entweder krank oder nicht gut erzogen.

Als ich vor 6 Jahren den Weg beschritt das körperliche und psychische Wohl meiner Kinder zur obersten Priorität zu machen, ist für mich unglaublich viel zusammengebrochen. Nach kurzer Zeit kündigte ich meine Anstellung und begann mich intensiv mit sämtlichen Themen auseinanderzusetzen. Es begann mit dem Schulsystem, ging weiter mit der Schulpflicht, bedürfnisorientierter Erziehung, Neurobiologie, Psychologie (womit ich mich zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Jahre befasste), Menschenrechte, Elternschaft, Kommunikationsfähigkeit, innere Kind Arbeit, Achtsamkeit und vieles mehr. Schnell begriff ich, dass eine Kampfhaltung uns nicht weiterbrachte und dass ich allein nicht in der Lage war dem Druck, der wie ein Tsunami auf mich einprasselte, stand zu halten. Ich suchte mir psychologische Unterstützung und rechtlichen Beistand und bin so unendlich dankbar, die richtigen Menschen gefunden zu haben.

Ich bin in den letzten Jahren auf so vielen Ebenen gewachsen, habe Ängste überwunden, eine hilfreiche Kommunikation erlernt und bin mir selbst so nah gekommen wie nie in den 35 Jahren davor. Zudem haben meine Kinder einen unglaublichen Wandel durchlebt, sie haben mitbekommen wie ich mich verändere und konnten selbst so sehr wachsen. Von schweren psychosomatisch belasteten Kindern, über Angststörungen zu selbstbewussten und selbstbestimmten jungen Menschen im Teenageralter. Ich bin jeden Tag voller Dankbarkeit, meinen Kindern diesen Weg geebnet zu haben und obwohl ich nicht immer gechillt und empathisch, sondern oft auch überfordert, gereizt und voller Widerspruch war, konnten meine Kinder ein so tiefes Vertrauen in mich entwickeln, dass uns heute eine noch tiefere Verbindung vereint.

Der Zwiespalt zwischen jahrzehntelanger eigener Anpassung um dem Gesellschaftsbild zu entsprechen und dem Wunsch sein Kind zu schützen und zu unterstützen kann unglaublichen Stress auslösen, fördert Ängste zu Tage und verbraucht sehr viel Energie. Trotz, dass der größte Druck bereits seit 3 Jahren vorbei ist, habe ich vor einigen Monaten festgestellt, dass ich immer noch unter Stress stehe. Chronisch erhöhter Cortisolspiegel, habe ich gelesen und gefühlt, dass dies auf mich zutrifft. Erst seitdem ich mich intensiv damit befasse und mir aktiv immer wieder bewusst mache, dass wir es geschafft haben, spüre ich diesen Stress von mir gleiten.

Jetzt fühle ich, dass es an der Zeit ist mit diesem Thema und Teilen meiner persönlichen Erfahrung rauszugehen. Deshalb habe ich diesen Blog gestartet. Ich möchte Eltern unterstützen und junge Menschen unterstützen, ihren individuellen Weg zu gehen. Ich möchte begleiten und ein Licht in dunklen Zeiten sein. Ein Orientierungspunkt und ein Halt in schwankenden Zeiten.

Die nächsten Beiträge werden sich damit befassen Themen zu hinterfragen, verschiedene Perspektiven zu beleuchten und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Am Ende muss jeder seinen individuellen Weg und Umgang finden. Hin und wieder werde ich einige persönliche Erfahrungen einbringen, wobei ich noch unsicher bin, was und wie viel ich preisgebe, da mir der Schutz der Privatsphäre meiner Kinder ein großes Anliegen ist, werde ich immer wieder mit ihnen Rücksprache halten, falls mein Beitrag persönliche Erfahrungen meiner Kinder beinhaltet. Prinzipiell versuche ich mich auf die Erfahrungen und Gefühle zu beschränken die mich als Mama betreffen.

Ich danke dir, dass du dir Zeit genommen hast meinen Beitrag zu lesen. Lass gern einen Kommentar da.

Alles Liebe für dich <3

2 Kommentare:

  1. Liebe Claudia, ich kenn dich ja nun schon ne ganze Zeit und könnte beobachten wie sehr ich alle euch verändert habt....es ist so toll zu sehen🥰 Ich glaube wir als heutige Eltern sind diejenigen,die den Stein ins Rollen bringen, dass sich das Schulsystem ändert. Wir sind die erste Generation, die sich bewusst damit auseinander setzt, welche andere Möglichkeiten es gibt, wir sehen wozu Menschen fähig sind, wenn sie Wünsche und Träume haben und diese realisieren ohne den klassischen Schulweg gegangen zu sein.
    Ich finde es toll was du machst und deine Erfahrungen die du teilst.....mach bitte weiter🤗

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    1. Ganz lieben Dank für deinen Kommentar 🥰
      Ich freue mich mega euch mitnehmen und inspirieren zu dürfen ❤️

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