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Die Schatten der Gesellschaft: Zwischen Würde und Schmerz

 

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Nur weil dies im Grundgesetz verankert ist, bedeutet das nicht, dass es auch tatsächlich gelebt wird. Wie würdevoll lässt es sich in einem System leben, das mehr darauf ausgerichtet ist, Menschen klein zu halten, als deren Bedürfnisse und Integrität zu wahren? Das Prinzip „Einer für alle und alle für einen“ mag gut gemeint sein, doch wenn nur der Einzelne der Gesellschaft dient und die Gemeinschaft nicht jedem Einzelnen, scheitert es daran. Zu viele Menschen in dieser Gemeinschaft sind überlastet, gebrochen, traumatisiert und allein gelassen – oft ohne es selbst zu erkennen. Wir wurden dazu erzogen, unsere eigenen Bedürfnisse und Gefühle hinten anzustellen.

Tausende Jahre Fortschritt und Forschung liegen hinter uns, und dennoch leben wir oft so, als gäbe es diese Errungenschaften nicht. Fortschrittliche Maschinen und künstliche Intelligenz sollten uns entlasten – doch wo bleibt diese Entlastung? Studien zeigen eindrücklich, wie sehr wir von Erziehung, Diskriminierung, Sexismus und Ausbeutung geprägt sind. Und dennoch ÜBERleben wir in diesen belastenden Strukturen.

Wir konsumieren und arbeiten bis zur Erschöpfung und darüber hinaus. Unsere Kinder schicken wir in Schulen, die sich seit 100 Jahren kaum verändert haben. Es verwundert nicht, dass Burnout und Depressionen immer präsenter werden. Unzufriedene Menschen versprühen ihren Unmut auf jeden um sie herum. Doch trotz allem hören wir oft: „Es geht uns doch gut. Wir haben es auch überlebt!“ Ja, ich bin dankbar – für vieles in meinem Leben. Ich fühle mich geliebt, gesehen und gehört. Ich mache schöne Erfahrungen und heile. Vor allem in den letzten Jahren.

Gleichzeitig bin ich wütend und traurig. Ich fühle mich oft alleingelassen, machtlos und überfordert. Der einzige Punkt, an dem ich meine Macht ausspielen kann, sind Menschen mit weniger Macht als ich. Gegen alle anderen kann ich nur einstehen – und das tue ich! Ich setze mich ein für meine Kinder, für meine Werte sowie für neue Ansichten und Veränderungen in den Systemen, in denen wir leben, ein. Dabei achte ich darauf, wie ich meine Macht einsetze.

Ich weiß, dass ich nicht alleinstehe. Ich sehe andere Menschen ebenfalls einstehen, aufklären und kämpfen. Doch bei vielen erkenne ich auch die immense Schwierigkeit dieser Aufgabe. Ich sehe das Lächeln der Erleichterung und der Heilung – aber oft wird vergessen zu erwähnen, dass dies nicht alles ist, was uns begleitet. Viele versuchen bestimmte Emotionen auszublenden; Schmerz soll nicht gezeigt werden. Wir reden beiläufig darüber – doch dann treten wir mit einem Lächeln vor die Kameras und verbergen unser inneres Leid.

Der Druck der Gesellschaft lebt in mir: Die Angst davor, dass mächtigere Menschen ihre Macht nutzen könnten, um meine Werte zu unterdrücken. Der Zwiespalt zwischen der Wahrung der Würde sowie der Bedürfnisse meiner Kinder und meinen eigenen ist allgegenwärtig. All das fühle ich jeden Tag – mal mehr, mal weniger.

Machtlosigkeit und Selbstheilung: Ein Weg zur inneren Stärke


 

Als Kind und Jugendliche war ich davon überzeugt, dass meine Eltern so große Macht hätten, vieles in meinem Leben zu verändern. Selbst mit 30 war ich noch überzeugt davon, dass mein Leben in vielen Bereichen besser verlaufen wäre, wenn meine Eltern sich damals mehr eingesetzt hätten. Als ich selbst Mama wurde, wollte ich so vieles anders machen und das habe ich auch getan. Gleichzeitig gab es immer wieder Situationen, in denen mir bewusstwurde, dass ich als Mama nicht allmächtig bin und nicht über alles und jeden die Macht habe.

Ich bin erwachsen und setze mich sehr für einen friedvolleren Umgang mit jungen Menschen ein. Gleichzeitig stoße ich immer wieder an Grenzen anderer Menschen, die komplett andere Ansichten dazu haben, was (junge) Menschen brauchen. Ich habe mich aufgeopfert, gekämpft, diskutiert, mich weitergebildet, belesen und Therapien gemacht. Weniger gearbeitet als meine Eltern, mehr Gespräche in Kita und Schulen geführt. Versucht, Menschen zu einem besseren Umgang zu bewegen, damit meine Kinder es besser haben.

Überraschung: Ich hatte nicht die Macht viel zu verändern. Die meisten Menschen hörten mir nicht einmal zu, belächelten meine Worte und Ansichten, fühlten sich persönlich angegriffen und begannen ihre Macht zu nutzen, um es meinen Kindern und mir noch schwerer zu machen. Ein paar Menschen waren offen für das, was ich zu sagen hatte, versuchten ebenfalls Veränderungen zu etablieren und wurden wundervolle Begleiter.

Was das alles aber mit mir machte, fand ich genauso schlimm wie als Kind den Gedanken: „Meine Eltern könnten etwas verändern, aber tun es nicht.“ Ich war ständig unter Strom, gereizt, litt unter Schlafmangel, war voller Ängste und beschämte mich selbst für meine Machtlosigkeit. Diese Selbstverurteilung machte mich unzufrieden und diese Unzufriedenheit bekamen meine Kinder zu spüren. Ich ließ meinen Frust an ihnen aus und das passiert mir auch heute noch. Wenn auch in geringerer Intensität und viel seltener, aber dennoch kommt es vor.

Ich fand es schrecklich, dass andere Menschen ihre Macht nicht nutzen wollten um Verbesserungen zu etablieren, bis mir auffiel, dass es gar nicht ums nicht wollen geht. Diese Menschen haben schlicht andere Ansichten, Wahrnehmungen, Prägungen und Glaubenssätze. Diese in Frage zu stellen, sich selbst neu auszurichten und neue Wege zu gehen braucht Heilung. Heilung der eigenen Verletzungen und Traumata.

Es braucht den Willen zuzugeben, nicht perfekt zu sein und Anteile in sich zu tragen, die man selbst eigentlich ablehnt. Und das ist schmerzhaft. Es tut weh sich einzugestehen, dass man so viel Leid ertragen hat unter dem Vorwand ein guter Mensch werden zu wollen und dann festzustellen, dass man es nicht ist - zumindest nicht rundum zu 100%. Es ist schmerzhaft sich damit auseinanderzusetzen, dass wir verletzt und unterdrückt wurden und unsere inneren Kinder und Jugendlichen noch immer darunter leiden.

Wir haben sie weggesperrt tief ins Unterbewusstsein um ihren Schmerz nicht mehr fühlen zu müssen, denn wer klein ist und seine Gefühle zeigt wird zurechtgewiesen und bestraft. Strafen wollen wir nicht mehr ertragen, denn wir sind jetzt groß und müssen dafür sorgen, dass alles läuft und auch die neuen kleinen Menschen gute erwachsene Menschen werden.

Wenn wir jetzt hinschauen und all diesen Schmerz in uns sehen, all die unterdrückten Gefühle fühlen und uns klar wird wie sehr wir selbst andere verletzen oder verletzt haben scheint das unerträglich. Deshalb bleiben viele Menschen in ihrem Verhalten, ihren Ansichten, kämpfen mit allen Mitteln dafür diesen Schmerz nicht fühlen und ihre eigenen Fehler nicht sehen zu müssen.

Ganz ehrlich, ich verstehe das! Ich arbeite meinen ganzen Scheiß schon seit meiner Jugend in Therapien auf und seit 6 Jahren in Eigenarbeit - was mich wesentlich weitergebracht hat als 20 Jahre Therapie. Selbst heute gibt es Anteile in mir, die ich mich nicht traue anzuschauen. Schmerz den ich nicht fühlen will und vergangenes das ich nicht aufwühlen möchte.

Und das ist ok! Ich entscheide wann ich wozu bereit bin! Und genau das möchte ich auch anderen zugestehen. Ich kämpfe nicht mehr. Ich verurteile nicht mehr. Ich diskutiere nicht mehr. Ich stehe ein! Für mich, meine Werte, meine Bedürfnisse und meine Grenzen.

Ich habe nicht die Macht andere Menschen zu ändern. Ich habe die Macht mich zu ändern. Ich glaube wir schreiben anderen Menschen sehr oft zu viel und uns selbst zu wenig Macht zu.

Ich habe Macht aber ich bin nicht allmächtig. Andere haben Macht aber auch sie sind nicht allmächtig. Was mache ich denn nun mit dieser Erkenntnis? Ich nutze meine Macht.

Ich frage mich immer wieder: „Was kann ICH tun?“

Ich kann meine Gefühle fühlen.

Ich kann mein Verhalten beeinflussen.

Ich kann Gutes für mich und meine Mitmenschen tun.

Ich kann anderen Menschen empathisch begegnen.

Ich kann über mich und meine Ansichten sprechen, ohne andere für ihre Ansichten zu verurteilen.

Ich kann mein Nervensystem regulieren.

Ich kann die Kita oder Schule meiner Kinder wechseln.

Ich kann mich reflektieren.

Ich kann meine eigenen Erfahrungen aufarbeiten.

Ich kann mich selbst heilen.

Ich kann meine Werte festlegen.

Ich kann mich um meine Bedürfnisse kümmern.

Ich kann mir ein neues Umfeld suchen.

Ich kann meinen Arbeitsplatz wechseln.

Ich kann Gespräche mit Menschen führen und meine Grenzen kommunizieren.

Ich kann mir eine schöne Zeit machen.

Ich kann meine Wut konstruktiv rauslassen ohne andere zu verletzten.

Ich kann trauern, darüber was ich erlebt habe, darüber, dass andere mich nicht verstehen, darüber, dass ich die Welt nicht verändern kann.

Ich kann sensibilisieren, aufklären und mich selbst so verhalten, wie ich es von anderen wünsche.

Ich kann meine Gefühle verstehen lernen.

Ich kann neue Strategien und Lösungswege finden.

Ich habe Macht und ich kann sie nutzen!

Fühlst du dich manchmal machtlos? Wünscht du dir, dass andere Menschen ihre Macht anders nutzen? Nutzt du selbst deine Macht in Einklang mit deinen Werten?

Egal wie du diese Fragen für dich beantwortest. Ich versteh dich. Das Leben ist vielseitig, kein Tag ist wie der andere und nicht immer handeln wir nach unseren Grundsätzen. Ich bin nicht hier um zu belehren. Ich bin hier um Perspektiven aufzuzeigen und zum Reflektieren einzuladen.

Grenzen setzen und Selbstreflexion - Ein Weg zu authentischen Beziehungen


 

Grenzen setzen bedeutet für mich nicht einfach „nein“ zu sagen oder den Kontakt zu Menschen abzubrechen. Grenzen sind immer für mich und nicht gegen andere Personen. Ich vertrete mit meinen persönlichen Grenzen meine Werte und definiere mein Leben. In einer gleichwertigen Beziehung ist es nicht mein Recht, von anderen zu fordern, dass sie sich verändern, um meine Grenzen zu wahren oder meinem Wertesystem zu entsprechen. Jeder Mensch hat das Recht auf seine Ansichten, Werte und Grenzen. Ich möchte, dass andere Menschen mich sein lassen wie ich bin und gleichzeitig will ich andere Menschen sein lassen wie sie sind.

Mir fällt das immer noch manchmal schwer, denn natürlich verletzt es mich, wenn Menschen über meine Grenzen trampeln und meine Werte missachten. Aber wenn ich ehrlich bin, trampel ich auch hin und wieder über fremde Grenzen und missachte die Werte anderer Menschen. Das liegt oft daran, dass ich erstmal von mir ausgehe und Menschen kennenlernen muss, um deren Welt zu verstehen. Die Problematik, die ich oft sehe besteht darin, dass viele Menschen denken sie hätten die absolute Wahrheit entdeckt und nur diese Wahrheit ist allgemein gültig. Doch wir sind nicht alle gleich, wir haben Prägungen, Verletzungen und Erfahrungen die sich teilweise von außen betrachtet gleichen, doch zu unterschiedlichen Resultaten führen. Denn eine Erfahrung geht mit vielen Einflussfaktoren einher. Egal wie oft ich ein scheinbar gleiches Gericht koche, es wird immer ein bisschen anders und wenn es ein anderer kocht, wird es in den meisten Fällen von dem Geschmack abweichen, den ich gewohnt bin.

Wenn wir also darüber reden Grenzen zu setzen, dürfen wir zuerst unser eigenes Wertesystem kennenlernen. Was ist mir wichtig? Wie möchte ich leben? Wie möchte ich sein? Wie möchte ich mit anderen Menschen umgehen? Was erwarte ich von anderen Menschen? Und warum das alles?

Dann dürfen wir reflektieren. Berücksichtige ich selbst immer, was ich als wichtig betrachte? Lebe ich, wie ich es möchte? Bin ich, wie ich sein möchte? Gehe ich mit anderen Menschen um, wie ich es eigentlich für richtig erachte? Warum erwarte ich bestimmte Dinge von anderen Menschen?

Während dieser Fragen stoßen wir auf unsere Bedürfnisse und wenn wir mutig sind, diese anzuschauen und zu hinterfragen, entdecken wir was wirklich wichtig ist: Unsere individuellen Bedürfnisse und deren Erfüllungsstatus.

Wenn ich z.B. sage „Ich will mit Respekt behandelt werden“, steckt dahinter das nicht gut erfüllte Bedürfnis „Respekt“. Denn ist mein Bedürfnis nach Respekt aufgefüllt, bin ich wesentlich entspannter damit, dass andere meine Definition von Respekt nicht erfüllen. Ich darf mich also fragen: „Wie definiere ich Respekt?“ und „Wo lasse ich mich respektlos behandeln?“ Zum Thema Bedürfnisse schreibe ich sicher ein anderes Mal. Bis dahin schau dir gerne mal mein YouTube-Video „Bedürfnisanalyse“ an, wenn es dich interessiert.

Wenn ich mit Menschen interagiere mache ich mir immer wieder bewusst, dass diese nicht ich sind. Sie haben andere Prägungen, ein anderes Wertesystem und andere Denkmuster. Ich beziehe – meistens – die Handlungen anderer Menschen nicht auf mich persönlich. Denn was andere Menschen sagen und tun sagt mehr über sie aus als über mich. Gleichzeitig reflektiere ich für mich welchen Anteil ich an einem negativen Verhalten anderer Menschen mir gegenüber habe. Habe ich zu oft geduldet schlecht behandelt zu werden, ist dies mein Anteil daran ein für mich negatives Verhalten aufrechtzuerhalten oder sogar zu fördern. Das bedeutet nicht, dass ich an diesem Verhalten schuld bin oder dafür verantwortlich, dass der andere sich so verhält. Es bedeutet jedoch, dass ich meine Grenzen nicht klar kommuniziert habe.

Kommunikation ist nicht einfach reden! Kommunikation findet zudem in meinem Verhalten statt. Ich kann einem anderen Menschen tausend Mal sagen, dass ich es doof finde, wenn dieser mich beleidigt und dass ich das nicht möchte. Bleibe ich jedoch immer wieder in solchen Situationen und lasse Beleidigungen über mich ergehen, handle ich entgegen meiner Worte und dulde damit dieses Verhalten.

Mein erster Schritt war „Meine Grenzen, Werte und Bedürfnisse“ zu reflektieren. Im 2. Schritt kommuniziere ich verbal – am besten während eines ruhigen Gemütszustands – mit meinem Gegenüber und gebe diesem die Möglichkeit sich selbst zu reflektieren. Kommen Grenzüberschreitungen weiterhin vor schaue ich wieder bei mir: Welche Emotionen löst das Verhalten in mir aus? Was macht es mit mir? Zudem frage mich wie wichtig mir die Beziehung zu diesem Menschen ist und sortiere gegeben Falls einfach aus.

Ist mir der Mensch und die Beziehung wichtig setze ich Grenzen verbal und aktiv. Bei einem Verhalten was mir komplett widerstrebt verlasse ich die Situation und begründe kurz und bündig. Indem ich z.B. sage, dass ich den Menschen gern hab, ihn akzeptiere wie er ist und gleichzeitig nicht gewillt bin diese Verhaltensweisen zu akzeptieren und deswegen jetzt gehe. Damit wahre ich meine Grenze ohne die andere Person abzuwerten.

Zukünftig schaue ich, dass ich nur dann Kontakt mit Menschen pflege bei denen ich weiß, dass es schwierig werden kann, wenn ich mich emotional stabil fühle und meine Bedürfnisse gedeckt sind. Denn sonst komme ggf. ich in Verhaltensmuster die ich nicht leben möchte. Auch ich kann wütend, aggressiv, unbedacht und übergriffig werden, wenn ich nicht auf mich achte. Ist mir – by the way – erst vor kurzem passiert.

In diesem Beitrag geht es übrigens um Beziehungen zwischen Erwachsenen Menschen. Über Grenzen setzen gegenüber jungen Menschen schreibe ich sicher mal einen Extrabeitrag.

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